Mittwoch, 17. November 2010

club 2-hundert novembergespräch

"holladiria hoppsassa/homma ned z´vui/trogn ma ned z´schwa"
Reduzieren auf das Wesentliche & der Mut zur Veränderung

Das Club 2-hundert Novembergespräch über die Weisheit des Innviertlers, die Erfahrung des Weitwanderers und die Philosophie des Messermachers.

Impulsgeber: Norbert Leitner, Messermacher/Unternehmer, 69°Nord

Am Sonntag, 21. November, um 13 Uhr
Werkhausbeschau und Einstimmung im Werkhaus 69°Nord
hintnach Gespräche im Club 2-hundert.

Siehe auch Archiv

14 Kommentare:

  1. Gut, dass sich der c2h nicht in Nebensächlichkeiten verliert. So konnten die Gespräche über das Wesentliche auf sechs Stunden reduziert werden.

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  2. Was besagt also die Weisheit des Innviertlers?

    Die vollständige Text verrät:

    Holladiria Hoppsassa
    Homma ned z´vui, trogn ma ned z´schwa
    Hed ma z´vui, war´s ned rar
    So duad se´s a.

    Die vulgärgermanistische Textanalyse interpretiert:

    Frohlockend, gar hopsend, eben unbeschwert stimmt der Innviertler an.
    Er lobpreist das Dasein ohne Überfluss und dessen Leichtigkeit, scheut nicht das schwere Tragen, verabscheut aber das ZU schwere.
    Er weiß, dass das Zuviel Last, das Übermaß Belastung bedeutet.
    So ist der Innviertler mit dem Gegebenen zufrieden.

    Man glaubert´s kaum, das Land am Inn ruft wie die Stadt am Mississippi den "Big Easy" aus: die große Leichtigkeit und Lockerheit, die große Sorglosigkeit und Schwerelosigkeit. Man glaubert´s kaum.

    Doch ein Winterkirtag zeigt, wie ein Landlertanz auch den schwersten Kund´n schweben lässt. So wie Michael Embacher die Dampfwalze schweben lässt.

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  3. Was besagt also die Erfahrung des Weitwanderers?

    "Wer häufig zu Fuß unterwegs ist, überlegt sich gut, wieviel er mit sich herumträgt", berichtet Norbert Leitner aus Erfahrung.

    Der Wanderer packt ein, was er braucht. Was er wirklich braucht. Das Notwendige.
    Jedes Zuviel belastet, das Überflüssige erschöpft. Leicht bepackt, gewinnt der Wanderer an Beweglichkeit, an Genuss, an Freiheit.

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  4. Dazu Bruno Baumann, 55, der als Weitwanderer die großen Naturlandschaften durchstreift:

    Mensch und Natur sind die stets wiederkehrenden Themen. Die Natur in ihrer elementaren Form wird zum Medium, zum Lernort.

    Nicht die Bezwingung der Natur mit allen zu Gebote stehenden technischen Mitteln ist das Ziel, sondern sich ihr als Mensch auszusetzen und sich mit ihren Gesetzmäßigkeiten zu arrangieren. Reduktion bedeutet Gewinn.

    So wird das Unterwegs-Sein in den Wüsten, Steppen und Gebirgen der Erde zum Erfahrungsweg, zum Schlüssel seiner Selbst.

    http://www.bruno-baumann.de/index.php?area=vision&content=vision

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  5. Dazu Rüdiger Nehberg, 75, der in der Disziplin des Survival seinem Leben die beglückende Freiheit verleiht:

    Ausgesetzt im Regenwald. Zum 68. Geburtstag war es soweit. Ein Hubschrauber hatte mich im nördlichsten brasilianischen Regenwald am Seil in das dampfende grüne Dickicht abgelassen. Mitten in die Unendlichkeit des Regenwaldes südlich der Grenze zu Surinam. Regenwald von Horizont zu Horizont, durchzogen von Wasserläufen. Kein Dorf, kein Mensch. unberührte Wildnis.

    Ich hatte weder Karte noch Kompass, weder Nahrung noch Medikamente, weder Waffe noch Garderobe. Alles, was ich benötigte, sollte mir der Wald liefern.

    http://www.ruediger-nehberg.de/abenteuer.htm

    Survival - die Kunst zu überleben in scheinbar ausweglosen Situationen.

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  6. Was besagt also die Philosophie des Messermachers? Die Philosophie hinter der Fertigung, der Form und der Funktion des Messers?

    Nordland - Fluchtpunkt und Sehnsuchtsland! Auf ausgedehnten Wanderungen lernte ich die Kultur und das Handwerk der Samen, der Urbevölkerung Skandinaviens, kennen. Ein Leben im Zyklus der Natur jenseits der Zivilisation verlangt Reduktion auf das Wesentliche und schafft Platz für das Essentielle.

    Im Messer, dem wichtigsten Werkzeug dieser Kultur, verdichtet sich das Prinzip eindrucksvoll: einfach, kompromisslos und zweckmäßig.

    http://69nord.at/

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  7. mid de
    dreggeng schua
    gesdma med auf
    dreggengdua

    Gesagt hat das wohl schon Mutter Nehberg seinerzeit zu ihrem Buam Rüdiger. Niedergeschrieben hat das 2009, wer sonst, Hans Kumpfmüller.

    Soll heißen:
    Im Survival geht es um die Ausnahmesituation, das Extrem, das Überleben allein und in der Wildnis, um das nackte Überleben.

    Was bringen also diese Überlegungen für den Dauerzustand, das Normale, das Leben in Gesellschaft und Zivilisation, für das gute Leben?

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  8. Allgemein lässt sich festhalten:
    Reduzieren heißt nicht nur Verlieren, Entsagen, Entbehren. Der Zweck ist nicht die Selbstaufgabe, die Selbstgeißelung, der Bettelmönch. Zweck ist auch nicht die Weltabkehr, der Aussteiger.

    Vielmehr bedeutet das Reduzieren das Auswählen, das Konzentrieren, das Nachdenken. "Alles kann man nicht haben", sagt ja schon der mäßigende Erziehende zum maßlosen Kind.

    Entrümpeln schafft Freiraum, Abspecken schafft Wohlbefinden, Konzentration mindert Ablenkung, Überlegen mindert Vergeudung.

    Reduzieren auf das Wesentliche meint also:
    Das Notwendige erkennen, das Überflüssige vermeiden.

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  9. Was entsteht also durchs Reduzieren auf das Wesentliche?

    Form/Schönheit.
    "Das Design ist schlicht und klar, ohne Schnörkel - wie die Landschaft des Nordens, spricht der Messermacher der "erhabenen Schönheit" seiner Messer. "Der Holzschnitt ist eine Kunst, die auf das Wesentliche zielt", sagt Hans Sailer 2009 in Braunau über die Kunst von Hans Plank. Der Holzschnitt kann nur Wesentliches berichten. Es gibt nur Schwarz oder Weiß; ein Grau oder Zwischendurch gibt es nicht. "Durch die Reduzierung der Form wird eine Intensität des Ausdrucks erreicht."

    Funktion/Tauglichkeit.
    "Alles Überflüssige ist weggelassen, kein Zentimeter zuviel", spricht der Messermacher über seine Messer als Werkezuge für Wanderer, Abenteurer und Entdecker. "Der Clou ist nämlich, dass Produkte von Grund auf neu gedacht werden", schreibt Gertraud Leinmüller 2010 in den Salzburger Nachrichten über "Frugal Engineering oder die Kunst des Weglassens". Der Kühlschrank Chotukool um 66 US-Dollar, das Auto Tata Nano um 2000 US-Dollar. "Auf diese Weise wird unnötiger Ballast abgeworfen. Man konzentriert sich auf die Basisfunktionen und lässt unnötigen Schnickschnack weg."

    Fertigung/Unikate.
    "Während der Produktion gebe ich das Werkstück nie aus der Hand", spricht der Messermacher über seine Arbeitsweise, das Weglassen des Maschinenparks fördere die Kreativität. Einem Messer widmet er fünf Tage, so entstehen Unikate statt Masse, Dauer statt Wegwerf, Qualität statt Klump.

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  10. Was noch?

    Effizienz.
    Kraft, Energie, Zeit, kurzum die Ressourcen sind begrenzt und darum für das Wesentliche einzusetzen, nicht für das Unwesentliche zu vergeuden. Das freut den Betriebswirt über seiner Kostenrechnung wie den Naturschutz über seinem Mantra von der Nachhaltigkeit.

    Fertigkeit & Wissen.
    Der Herr seiner Fähigkeiten, seiner Talente, seines Geschicks, nicht der Sklave der Werkzeuge. Die Erfahrung ist tiefer, das Erleben intensiver, das fördert die Fertigkeiten und das Wissen. Sagen Handwerker wie Weitwanderer gleichermaßen.

    Genügsamkeit & Zufriedenheit.
    Das Vorhandene schätzen, das Fehlen bewältigen, auch Mangel beherrschen. Schließlich muss es ja auch mal genug sein.

    Lust & Befriedigung.
    Nicht nur der Freund des Survival oder der Mann des Freikletterns weiß, dass mit der Größe der Aufgabe auch die Freude an ihrer Erfüllung steigt. So kommt´s zur Freude an der Aufgabe, zur Lust auf Probleme. Das können auch der Rätselrater und der Turmspringer bestätigen.

    Kreativität & Spontaneität.
    Das Suchen nach dem Richtigen, nach Lösungen für Aufgaben, abseits der vielzitierten ausgetretenen Pfade.

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  11. Und was noch?

    Sinn & Glück.
    Für den Einzelnen stellt das Reduzieren auf das Wesentliche auch die Frage nach dem Sinn des Lebens und gibt Aufschluss über das gute Leben, das Wohlergehen an Körper, Geist und Seele.

    Dazu braucht´s ein bewusstes Leben, ein reflektiertes Dasein.

    Was dann zu tun hat mit Selbsterkenntnis und Selbstverwirklichung. "To thine own self be true", sagte ja schon Polonius zu seinem Buam Laertes, wie William Shakespeare 1598/1602 in seinem Hamlet niederschreibt.

    Was dann zu tun hat mit Selbstbestimmtheit und Selbständigkeit. "Nein, nie wieder, niemals, nie mehr. Ich nehm mein Leben in die Hand und geb es nicht mehr her", sangen ja schon die Fantastischen Vier, wie 1991 das Album Jetzt geht´s ab dokumentiert.

    Was dann zu tun hat mit Tatendrang und Lebensfreude. "Im so thrilled to be alive that i awake exactly five seconds before my alarm clock is set to ring", schreibt ja schon John Waters, wie 1986 Puff Piece (101 Things I Love) offenbart.

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  12. Design. Größe. Weg. Handwerk. Qualität. Kreativität. Lernen. Abenteuer.

    Nennt ja auch Norbert Leitner zu seiner Philosophie hinter dem Messermachen.

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  13. Aktiv handeln, Aufgaben suchen, Herausforderungen lieben, Probleme lösen, Lösungen finden. Das alles geht also einher mit dem Leitspruch: Reduzieren auf das Wesentliche. Darum stellt sich hier gar keine Frage nach einer Angst vor dem Wandel oder dem Mut zur Veränderung. Im Gegenteil, hier gibt´s den Willen zum Wandel, das Streben nach Veränderung.

    "Können wir es schaffen? Ja, wie schaffen es", sagte lange vor Barack, dem US-Präsidenten schon Bob, der Baumeister.

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  14. Mut zur Veränderung meint also:
    Möglichkeiten erkennen, selbst gestalten.

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