Freitag, 4. September 2009

club 2 hundert, der fünfte

Das zweite der drei "club 2 hundert" Sommergespräche 2009.

Freitag, 11. September, "Das lebendige Dorf".
Untertitel: Vom guten Leben in der kleinen Gemeinde. Was die Menschen in Weng brauchen.

Den Impuls liefert Erik Schnaitl, seines Zeichens Vordenker.
Treffpunkt Manfred´s Ruh, Waldblick, Weng im Innkreis.
Beginn 19.00 Uhr. Bei jeder Witterung, weil Gespräche ja draußen wie drinnen möglich sind.

16 Kommentare:

  1. Warum leben Menschen in Gemeinwesen?

    Leopold Kohr erinnert an Aristoteles (in: Probleme der Stadt, Otto Müller Verlag Salzburg 2008): "Dass alte Städte so bezaubernd sind und neue nicht, liegt darin begründet, dass die
    Stadtplaner frührer Zeiten – im antiken Griechenland, in mittelalterlichen Stadtstaaten
    oder im modernen Paris – nicht verschiedenen Zwecken dienten, sondern einzig und
    allein dem unveränderlichen Zweck, aufgrund dessen die Menschen seit jeher in
    derartigen Gemeinwesen leben wollen. Dieser Zweck wurde von Aristoteles
    philosophisch zum Ausdruck gebracht, als er sagte, die Menschen würden nicht um des
    Friedens, der Gerechtigkeit, der Verteidigung, des Verkehrs oder des Handels willen
    Gemeinwesen gründen, sondern um ein gutes Leben führen zu können."

    Dem "club 2 hundert" bleibt also nur noch, zu klären, was dieses gute Leben ausmacht.

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  2. Was das gute Leben ausmacht?

    "Teile dein Wissen mit anderen. Dies ist eine gute Möglichkeit, Unsterblichkeit zu erlangen."

    Mehr dazu auf:
    http://www.abendblatt.de/kultur-live/article337424/Empfehlungen-des-Dalai-Lama-fuer-ein-gutes-Leben.html


    mit den besten Empfehlungen an den "club 2 hundert",
    Tenzin Gyatso

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  3. Stichwort Soziale Grundbedürfnisse

    Aristoteles sagte also, Menschen gründen Gemeinwesen, um ein gutes Leben führen zu können. Leopold Kohr ergänzt: „Und das gute Leben in Gemeinwesen bedeutete zu allen Zeiten die Befriedigung der drei sozialen Grundbedürfnisse des Menschen […]. Diese Bedürfnisse sind Geselligkeit, Religiosität und Politik.“ Daher bestehe der Kern der alten Städte „stets aus den gleichen Grundstrukturen. Wirtshäuser für die Geselligkeit; Kirchen für die Religiosität; und Rathäuser für das politische Naturell.“

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  4. Stichwort: Wirtshaus, Kirche, Rathaus, und…?

    Leopold Kohr: "Ist der gemeinschaftliche Kern der Stadt gebaut, folgt der Rest – Wohnhäuser, Schulen, Fabriken, Geschäfte – von selbst." Umgelegt bedeutet das: Ist der gemeinschaftliche Kern intakt, bleibt auch der Rest.

    Zu den Bedürfnissen der Gemeinschaft kommen ja die Grundbedürfnisse des Einzelnen. Zum Beispiel Wohnen und Nahrung, wobei für letzteres heute meist Geld-Einkommen und Erwerbsarbeit steht.

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  5. Stichwort: Alles im Ort

    Leopold Kohr bekennt sich als „leidenschaftlicher Befürworter der Eigenständigkeit kleiner Gemeinwesen“. Er definiert die Eigenständigkeit über die alltäglichen Bedürfnisse: „Ein Gemeinwesen ist nicht nur dann eigenständig, wenn niemand sich in andere Gegenden begeben muss, um seinen täglichen Aktivitäten nachzugehen, sondern auch wenn niemand sich dorthin begeben will.“

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  6. Stichwort: Das liebe Geld

    Kohr weiß um die ökonomischen Zwänge: „Wichtigste Voraussetzung für Eigenständigkeit ist jedoch nicht nur, dass man alles vor Ort kaufen kann oder dass Schulen, Kirchen, Kinos und Gasthäuser in der Nähe sind, sondern auch dass der überwiegende Teil des Einkommens in der unmittelbaren Nachbarschaft verdient wird.“

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  7. Stichwort: Das vollständige Leben

    Kohr wendet auch hier seine Erkenntnis an: Nicht Straßen ausbauen, sondern den Bedarf nach ihnen verringern. Was einer „geographischen Neugestaltung unseres persönlichen und beruflichen Lebens“ bedürfe. „Man sorge dafür, dass jeder in der Nähe seines Arbeitsplatzes lebt und Arbeit dort sucht, wo er lebt, und bringe all die übrigen Einrichtungen, die er für ein vollständiges Leben benötigt - Geschäfte, Schulen, Kirchen, Theater, Erholungseinrichtungen – in seine unmittelbare Umgebung.“

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  8. Zusammenfassend

    Der Kerl Kohr resümmiert: „Nur eine wunderbare Kommune wird, ähnlich wie eine wunderschöne Frau, verhindern, dass ihre Bewohner ständig anderswo herumsausen auf der Jagd nach Lebensunterhalt und Vergnügen.“

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  9. Das lebendige Dorf. Vom guten Leben in der kleinen Gemeinde.
    Das persönliche Fazit von Gerald Ecker.

    Vom Kindergarten bis zum Kanalbau. Der „club 2 hundert“ (c2h) erarbeitet nicht die endgültige Liste der einzelnen Elemente, aus denen ein lebendiges Dorf besteht oder entsteht. Vielmehr umkreist der c2h die Idee dahinter, das Gefühl, die Grundstimmung, die ein lebendiges Dorf kennzeichnet. Hierzu zeigten sich – in meinem Fazit - sieben Überlegungen.

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  10. (1) Lebendig sind nicht Maschinen, Automobile. Lebendig sind Menschen, Tiere, Pflanzen.

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  11. (2) Lebendig sind die sozialen Kontakte, ist das Miteinander.
    2.1 Allein schon der Zeugungsakt zeigt: Leben entsteht in der Begegnung. Was zum Stichwort führt: Innehalten statt Hochgeschwindigkeit. Was aber nicht Stillstand bedeutet. Stichwort Entschleunigung. Die Erkenntnis aus der Mobilität: Zwei Autofahrer rasen aneinander vorbei. Zwei Radfahrer haben gerade Zeit zum Gruß. Zwei Fußgänger begegnen sich und beginnen das Gespräch.
    2.2 Auch wenn dieses Gespräch oft banal ist. Das Leben ist eine Art Wohngemeinschaft. Keiner lebt allein. Also sind gewisse Dinge zu besprechen. Ob die Gespräche positiv oder negativ sind. Auch in Zeiten der Individualisierung der Gesellschaft, der Single- oder Zwei-Personen-Haushalte, der unbekannten Nachbarn in den Schlafgemeinden. Das lebendige Dorf bemüht sich um das Einladen, die offenen Türen, das Kennenlernen, die Nachbarschaftshilfe.

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  12. (3) Lebendig ist das Engagement.
    3.1 Eine Stütze des lebendigen Dorfes ist das Ehrenamt. Wobei sich die Frage nach der Anerkennung stellt, auch der Anerkennung in finanzieller Form. Wieviel ist der Bankenmanager „wert“, der Anlagen verkauft, wieviel die Volksschullehrerin, die den Kindern einen Grundstock für das Leben mitgibt? Wieviel – mit Vorgriff auf Überlegung (5.2) – der Ausnutzer, wieviel der Visionär? Worauf sich vortrefflich über den Wert des Grundeinkommens diskutieren lässt.
    3.2 Engagement im lebendigen Dorf meint auch das Engagement in der institutionalisierten Politik, in den Parteien, im Gemeinderat, als Bürgermeister. Was zur Frage führt: Wer geht in Parteien? Mit welchen Motiven? Erst die Partei, und dann die entsprechende Disziplin? Oder erst die Überzeugung, und dann die entsprechende Partei? Das lebendige Dorf sollte sich auch hier an Überlegung (2) erinnern – das Miteinander.

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  13. (4) Lebendig ist Geborgenheit, Vertrautheit. Was wieder mit Überlegung (2) – dem Kontakt und dem Miteinander – zusammenhängt.

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  14. (5) Lebendig ist die Vielfalt.
    5.1 Das lebendige Dorf zeichnet sich aus durch das Ausredenlassen, das Zuhörenkönnen.
    5.2 Die humane Gesellschaft verträgt sogar ein paar Ausnutzer. Und ein paar Träumer, die womöglich Visionäre sind. Wobei ersteres den Klassenkämpfer zur globalen wie fundamentalen Frage führt: Wer sind eigentlich die Wenigen, die auf Kosten der Vielen leben? Die Ausnutzer sind seit Marx die Reichen, die Expropriateure.
    5.3 Im lebendigen Dorf findet jeder Bürger einen Platz für seine Interessen – oder schafft sich diesen selbst. Womit auch die Vereine angesprochen sind. Aber zugleich deren Schattenseite, wenn sich der Verein in sein Heim zurückzieht und zur Parallelgesellschaft wird. Was prompt den c2h in dieser Form selbst infrage stellt.

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  15. (6) Lebendig ist die Offenheit.
    6.1 Nicht die Engstirnigkeit, das Miasanmia. Zumal in der – hier einmal dahingestellten – neoliberalen Gegenwart der internationalen Arbeitsteilung, des globalisierten Wirtschaftens, der Kommunikationstechnologien des Global Village.
    6.2 Offenheit meint auch Freiräume. Etwa Freiräume für die Jugend. Nicht Vorgaben, sondern Möglichkeiten zur Selbstgestaltung.

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  16. (7) Lebendig ist eine Zelle. Das lebendige Dorf ist wie eine Zelle. Der Großteil spielt sich im Inneren ab. Trotz Offenheit. Die Grundbedürfnisse können im Dorf befriedigt werden.
    7.1 Stichwort Kramersterben und Einkaufszentren, Ausdünnung des ländlichen Raumes.
    Eine Antwort kann liegen im Bewusstsein für den Wert des Regionalen, im Zusammenschluss, der Zusammenarbeit der Anbieter, in der Abhilfe durch Nachbarschaftshilfe, Tauschkreise, Regionalwährung, Timesozial.
    7.2 Stichwort Arbeit. Die Tierwelt lehrt: Wo Nahrung, da Niederlass. Das lebendige Dorf braucht auch die Möglichkeiten der erfüllenden Arbeit. Stichwort Arbeitskräfte aus dem Dorf statt Kilometergeld. Stichwort „Rettet die Faustkeilindustrie“ versus „Fortschritt“.
    Was die Frage aufwirft: Was ist erfüllend? Was ist das gute Leben? Was zur Frage des Verbrauchs, des Aufwands, des Lebensstils wird. Zwischen Überfluss und Verzicht – irgendwo dazwischen liegt - Leopold Kohr lässt grüßen - die ideale Größe.

    Womit irgendwie auf das dritte Sommergespräch verwiesen sei: Reduzieren auf das Wesentliche.

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